Das Buch zum Film

TAGE DANIELSSON

Ronja Räubertochter

Das Buch zum Film

Nach dem Roman von Astrid Lindgren

DEUTSCH VON ANNA-LIESE KORNITZKY

FOTOS VON DENISE GRÜNSTEIN & JOAKIM STRÖMHOLM

VIGNETTEN VON PER ÅHLIN

VERLAG FRIEDRICH OETINGER HAMBURG

Dieses Buch ist allen Mitarbeitern gewidmet, die mit ihrem außerordentlichen künstle- rischen und handwerklichen Geschick Ronja Räubertochter zu einem Film gemacht und damit aufs neue bewiesen haben, daß das Gerücht vom Tod des Kinofilms trotz allem weit übertrieben ist.

Denise Grünstein und Joakim Strömholm haben alle Fotos gemacht außer folgenden Einzelbildern

aus dem Film (Kameramann Rune Ericson): Räuber reiten aus der Burg, Burg birst, Landsknecht

fällt vom Pferd, Wilddruden über dem Weiher, Lovis am Feuer, Brotbacken, Frühlingsschrei im Busch- windröschenwald. Ronjas Sprünge auf dem Dach und Ronja mit Rumpelwicht und der Wintermütze wurden von Kaj Grönberg aufgenommen. Die Fotos sind mit freundlicher Unterstützung durch Ursula Hägerström aus dem Standfotoarchiv von Svensk Filmindustri ausgewählt worden. Auf dem obigen Bild fehlt eine Reihe von Mitarbeitern, die gerade keine Zeit hatten, sich fotografieren zu lassen.

Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1985

Alle Rechte für die deutschsprachige Ausgabe vorbehalten Tage Danielsson 1984 (Text), AB Svensk Filmindustri 1984 (Bild) Die schwedische Originalausgabe erschien bei Wahlström & Widstrand, Stockholm,

unter dem Titel »När Ronja Rövardotter blev film<<

Deutsch von Anna-Liese Kornitzky Gestaltung: Paul Eklund

Druck und Einband: Esselte Herzogs, Uppsala Printed in Sweden 1985

ISBN 3-7891-2233-5

Bei der Verfilmung von Astrid Lindgrens »Ronja Räubertochter wurde ich als Regisseur über ein Jahr lang mit den neugierigen Fragen der Rumpelwichte bombardiert, dieser klei- nen Trolle, die uns mit ihrem ewigen »Wiesu? ständig in den Ohren lagen.

Jetzt, wo der Film fertig ist und es außerdem eine Unmenge herrlicher Standfotos gibt, die man in aller Ruhe betrachten kann, habe ich mir den hartnäckigsten Rumpelwicht ge- schnappt und auf den Schoß gesetzt, um mit ihm die Bilder anzugucken. Ich will ver- suchen, wenigstens ein paar seiner vielen Fragen zu beantworten. Da Rumpelwichte nicht gerade sehr helle sind, ist es ja besonders wichtig, ihnen eine leise Ahnung von dem Film zu geben, in dem sie selber herumgerumpelt und -gepumpelt sind.

Hier sitzt nun also der wiẞbegierige Wichtel auf meinem Schoß und wird gleich seine Fra- gen abfeuern. Leute, die öffentlich ausgefragt werden, nennt man im allgmeinen ja Inter- viewopfer. Und ist der Interviewer ein Rumpelwicht, dann kann ich versichern, daß »Opfer« genau das richtige Wort für meine Gefühle ist.

Bevor die Fragen auf mich niederprasseln, möchte ich erst noch schnell meine Bewunde- rung für die beiden Personen ausdrücken, die die Standfotos gemacht haben, für Denise Grünstein und Joakim Strömholm. Bei Wind und Wetter standen sie der Filmkamera hel- denmütig im Weg, so wie es sich für Standfotografen gehört. Übrigens hat der Kameramann Rune Ericson höchstpersönlich ein paar Schnappschüsse von Denise und Joakim gemacht, als sie ausnahmsweise mal nicht im Weg standen. Ansonsten haben wir aus dem Film hier und da ein Einzelbild herausgepickt und vergrößert. Ein normaler Spielfilm besteht aus etwa 150 000 solcher Einzelbilder. Das ergäbe einen

ziemlich dicken Wälzer.

Tage Danielsson

Wiesu tun sie su?

Du meist, warum sie sich sofreundlich anlächeln? Ja, Astrid Lindgren freut sich, den Rau- berhauptmann Mattis kennenzulernen, denn sie hat ihn sich ja ausgedacht. Hätte sie das nicht getan, würde es ihn gar nicht geben. Darauf ist sie bestimmt stolz, und das mit Recht. Und hier drückt sie ihm die Hand. Sie möchte ihm dafür danken, daß er sich genauso be- nammt, wie er es getan hat, als sie ihn sich ausdachte: Er brüllt, lacht, weint, flucht, liebt, rauft und tobt genau wie ein normaler Mensch, obwohl er doch nur ausgedacht ist. Und Mattis drückt Astrid so herzlich die Hand zum Dank dafür, daß es ihn gibt und daßerbei all dem Wunderbaren, was in -Ronja Räubertochters passiert, dabeisein darf. Eingebildet. wie er ist, dankt er ihr bestimmt auch dafür, daß sie ihn zum Räuberhauptmann gemacht hat

und nicht nur zu einem gewöhnlichen kleinen Räuberschiet".

Wenn du. Rumpelwicht, nicht immer so griesgrämig und muffig wärst, dann würdest du ge- nauso freundlich lächeln und Astrid die Hand drücken, denn sie hat ja auch dich erfunden. Man kann sagen, daß sie die Mutter aller Menschen ist, die sie erfunden hat, aller großen und kleinen, und all der Wesen, die bei ihr herumgeistern und -huschen. Über sie alle hat sie lange gebrütet, bis sie sie schließlich im Buchhandel ausgebrütet hat. Stell dir mal vor, ihre ganze riesige Kinderschar würde kommen und ihr die Hand drücken wollen! Da müßte sie sich, was das Händeschütteln angeht, ja schlimmer abrackern als unser König Carl XVI. Gustav

Und noch viel größer wäre diese Kinderschar, wenn man auch alle Schauspieler mitrechne- te, die Astrids Geschöpfe im Film lebendig gemacht haben. Wie zum Beispiel Börje Ahlstedt, der sich hier unter Mattis Bart verbirgt. Auch er möchte ihr die Hand drücken und sich be- danken. Zeitweise hatte er sich so in seine Rolle als Mattis eingelebt, daß er kaum noch wuß- te, ob er Mattis war oder Börje. Wer von ihnen Astrid hier die Hand schüttelt, weiß ich nicht genau. Wahrscheinlich sind es beide

Das mußt du verstehen. Rumpelwicht, wenn man tagtäglich mit ausgedachten Menschen und mit Wichteln und Trollen in ausgedachten Räuberburgen und Wolfsklammen und Höl- lenschlunden zusammenlebt, weiß man schließlich nicht mehr, was Märchen und was Wirklichkeit ist. Und die Leute, die ins Kino gehen, wollen ja, daß wir Filmemacher ihnen alles so vorschwindeln, daß die Phantasie Wirklichkeit wird. Jetzt erzähl ich dir ein wenig davon, wie wir die Schwindelei anstellen und wieviel Spaß uns

das Schwindeln gemacht hat.

Wiesu bluß?

Guck dir mal die beiden Bilder oben genau an.

Sichst du da einen Unterschied?

Das Jungchen!

Tja also, tatsächlich ist das ein kleines Mädchen! Doch das kannst du als Rum- pelwicht nicht wissen. Es ist die neuge- borene Ronja, die Mattis hier behutsam im Arm hält. Und um ihn herum stehen alle Mattisräuber und bewundern ihren künf- tigen Räuberhauptmann, denn das soll sie ja einmal werden. Der Unterschied in den Bildern liegt also beim Jungchen oder richtiger bei dem kleinen Mädchen. Als wir diese Szene prob- ten, nahmen wir statt des neugeborenen Babys eine Puppe. Wir waren nämlich sehr besorgt um die kleine Ina Storström- eben erst geboren und norwegisch- und wollten sie so lange bei ihrer Mama lassen, bis alles für die Aufnahme bereit war. Und da benahm sie sich ganz genauso, wie sie sollte: Sie wim- merte und rülpste und schrie und sah staunend in die Welt wie alle Neugeborenen. Natürlich lag das nuran meiner Regie. Ich habe sie vorher beiseite genommen, ihr vertraulich den Arm um die winzigen Schultern gelegt und ihr die psychologi- schen Hintergründe ihrer Rollengestaltung erklärt. Auf diese Weise erzielt man gute Ergebnisse: Die Schauspieler ziehen sich sozusagen an den eigenen Haaren hoch und wachsen über sich selbst hinaus. Falls man in diesem Fall nun von Haa-

ren reden kann. Hier rechts wird Ronja sehr vorsichtig von Glatzen-Per gehal- ten. Auch bei ihm kann von Haaren nicht die Rede sein.

Daß eine Norwegerin Klein-Ronja wurde, lag daran, daß man die Steinhalle der Räuberburg im Atelier von Norsk Film in der Nähe von Oslo gebaut hatte. Glaub mir, es war eine elende Schufterei, all diese gewaltigen Steinblöcke da raufzuschlep- pen.

Ganz zu schweigen von der Plackerei, die Burg auf dem höch- sten Berg der Provinz Dalsland - Sörknatten heißt er - zu bauen. Aber der Filmarchitekt und Ausstatter, der sich alle Bauten ausdenkt, hebt Steinblöcke wie nichts, denn er ist ein

Riese. Wenn du mir nicht glaubst, blättre um.

Wiesu tut er su?

Macht Dach putt, wiesu bluß?

Er macht das Dach nicht kaputt, er setzt es aus passenden Teilen zusammen, damit die Burg einstürzen und genau mittendurch bersten kann, als der Blitz einschlägt.

So etwas kann ein Riese ohne weiteres, das weißt du doch, Rum- pelwicht, denn du kriechst ja im Wald zwischen Riesenfindlingen und Riesenbäumen herum.

Aber Scherz beiseite, nicht Ulf ist so groß, sondern die Burg ist so klein. Es ist eine Modellburg, die in einem Studio gebaut wurde.

Aber hoch oben auf dem Berg Sörknatten gab es die Burg auch. Damals sah sie so aus-im Winter, als die Räuber von Lovis in den Schnee hinausgejagt wurden, damit sie sich den Dreck ab- schrubbten.

Wahrscheinlich findest du, daß die Burg oben ein bißchen abge- hackt aussieht, stimmt's? Aber so was kriegt man mit Hilfe der Perspektive hin.

In der Nähe sieht alles größer aus als in der Ferne, das weißt du doch, oder? Ein Elch, der weit hinten am Waldrand steht, ist klein

wie eine Fliege mit Geweih.

Auch du kannst dir mit Hilfe einer Fingerkuppe aus einem ganz gewöhnlichen Haus eine Kirche machen. Das geht so: Stell dich

ein paar hundert Meter entfernt von einem beliebigen Haus auf. Streck einen Arm aus, kneif ein Auge zu und halte den Zeigefinger hoch, so daß er auf dem Haus da drüben steht. Dann sieht dein Auge, daß das Haus einen Turm bekommen hat, der aus einem

riesigen Zeigefinger besteht. Und jetzt kriegst du zu sehen, wie wir eine Räuberburg bauten.

Wir stellten die Kamera auf ein Gerüst, und zwar ein gutes Stückentfernt von dem großen, echten Unterteil der Burg oben auf dem Sörknatten. Zwi- schen die Kamera und das große Unterteil steckten wir das kleine Modell vom Oberteil der Burg auf eine lange Stange. Dann fügten wir Oberteil und Unterteil so zusammen, daß es, wenn man durch die Kamera guckte, aussah, als sei es eine ganze, heile Burg. Vergleicht man das mit deinem Finger- turm, dann ist die Kamera dein Auge, das Aufsatz- modell (das Oberteil der Burg) entspricht deinem Zeigefinger, und das Unterteil der Burg ist dann

das Haus, auf dem dein Riesenfinger steht. Auf diese Weise erspart man sich die Mühe, eine ganze große Burg zu bauen. Stell dir bloß mal vor, du hättest so einen Riesenfinger, wie du ihn auf das Haus gestellt hast, wirklich bauen müssen! Beson- ders leicht wäre das nicht gewesen.

Der Baum, den du auf dem mittleren Bild siehst, ist so aufgestellt worden, daß er die Stange verdeckt, an der das Aufsatzmodell befestigt ist. Denn es wäre ja zu dumm, wenn da eine lange Metallstange im tiefsten Mittelalter herumstehen würde.

Auf der nächsten Seite siehst du, was die Kamera sah: ein Einzelbild aus dem Film. Hier sind Modell- burg und Unterteil zusammengefügt, und die Räu- ber reiten zum Tor hinaus.

Und dann siehst du ein Bild vom Burghof. Dies ist ein anderer Riesenbau in einer verlassenen Grube in Dalsland, wo einst Quarz gebrochen wurde. Auf dem letzten Bild birst die Burg. Wie wir das ge- macht haben, kannst du dir selber ausrechnen.

Wir sind mit Astrid Lindgren übereingekommen, daß sich die Geschichte der Räubertochter Ronja vor etwa acht-bis neunhundert Jahren ereignet hat. Nun wares die Aufgabe des Ausstatters Ulf Axén herauszufinden, wie alles im Film auszusehen hatte, und Per Åhlins Sache war es festzustellen, wie die Leute damals ange- zogen waren.

Dann wurden Bücher gewälzt, und die beiden zeich- neten und grübelten und forschten und kauten alles. immer wieder durch, daß es eine wahre Freude war. Ulf brachte Bilder von dem berühmten Bayeux-Gobelin mit. Das ist eine 70 Meter lange Stickerei, die vom Feld- zug Wilhelms des Eroberers gegen England im 11. Jahrhundert berichtet. Solche Bilder beleben die eige- ne Phantasie, auch wenn nicht alles in Ronjas kaltem Norden ganz genauso aussehen mußte.

Hier siehst du Ulfs Skizzen zu mittelalterlichen Sät- teln und Waffen für zwölf Mattisräuber, zwölf Borka- räuber und fünf Landsknechte.

Aber das ist nur ein Beispiel für die tausend und aber- tausend bis in jede Einzelheit genauen Überlegun- gen, die ein Filmausstatter erst anstellen und dann in die Tat umsetzen muß, zunächst auf dem Papier und dann in der Praxis, und zwar mit Hilfe von Tischlern, Malern, Maurern, Schweißern, Baggerführern, Pla- stikfabrikanten, allwissenden Filmarbeitern und, wie in diesem Fall, Sattlern.

Hier siehst du ein paar Kostümskizzen von Per Åhlin: Ronjas und Birks Winterkleidung und Mattis' und Borkas Festkleidung, eine Auswahl von Prachtgewändern, die sie Adels- leuten geraubt haben.

BIRK

RONJA

STIRNBAND AVS SILBER

MATTIS

KETTE AUS GOLD

BORKA

DAS VERSÖHNUNGSFEST

 Und Solveig Eriksson nähte und nähte, und Per und Lenamari Wallström sorgten dafür, daß Borkas Winterpelz wie angegossen saß, und der Lederspezialist Christer Jung schnitt und schneiderte Leder in langen Bahnen, und Hanna und Dan begannen ihre Filmarbeit mit Anproben und Mannequinvorführungen.

Kaum waren ihre Kleider genäht, nagelneu und bildschön, mußten sie alt und häßlich ge- macht werden. Patinieren nennt man das. Es ist mindestens genauso schwer, Kleider abge- tragen und vergammelt aussehen zu lassen, wie sie neu zu machen. Überleg doch mal selbst, Rumpelwicht-du hast es freilich allein hingekriegt, daß deine alten Klamotten rich- tig zerschlissen aussehen, aber du bist ja auch über sechshundert Jahre lang darin herum- gelaufen.

Weißt du, wie wir Hanna Zetterberg und Dan Håfström gefunden haben? Nun, wir setzten eine Anzeige in die Zeitung. Wer will Ronja und Birk werden? stand da. Und es kamen ein

paar tausend Zehn- und Elfjährige, die es werden wollten. Alle konnten wir ja nicht mitspielen lassen, das hätte auf der Filmleinwand ein zu großes Ge- dränge gegeben. Nach vielem Hin und Her und einer ganzen Menge Probeaufnahmen ent- schieden wir uns für Hanna. Sie war, wie Ronja sein soll. Abgesehen davon, sang sie uns mit viel Hingabe ein Lied vor.

Aber unter all den netten und begabten Jungen, die Birk werden wollten, gab es keinen, der genauso war, wie wir uns Birk vorstellten. Eine Zeitlang waren die Aussichten wirklich trübe. Wir hatten keinen Birk.

Wiesu habt ihr mich nicht genummen?

Tja... Hm... Du bist bestimmt ein hervorragender Schauspieler, aber leider ist deine Nase ein wenig zu hervorragend, falls du mir diese Bemer- kung gestattest. Außerdem bist du ja nicht elf, sondern 612 Jahre alt. Doch dann ging ein Mitarbeiter des Films an einem schönen Frühlingstag über einen Kin- derspielplatz in Stockholm. Und plötzlich sah er Birk. Er kam ihm entgegengelaufen, wie er leibt und lebt. Es war Dan. Du, hör mal, sagte der Mann, geh doch mal zu Svensk Film und

frag nach Catti Edfeldt, die kümmert sich nämlich um die Rollenbesetzung für »Ronja Räubertochter".

Und Dan kam und probte und wurde Birk.

Solche glücklichen Zufälle gibt es! Und wieviel Freude wir tagtäglich an Hanna und Dan hatten! An ihr mit ihrem präzisen und reich nuancierten Ausdruck für Ronjas Gefühlsstürme und an ihm mit seiner stillen Herz- lichkeit und klarsichtigen Beharrlichkeit. Und mit welcher Begeisterung und Ausdauer

und Freude sie sich an die Arbeit machten!

Jetzt gehören sie zu meinen besten Freunden. Auf der gegenüberliegenden Seite siehst du Proben von Hannas wechselnden Stimmungen

während der Dreharbeiten. Und wenn du umblätterst, siehst du Dans vertrauenerwecken- des Gesicht mit einem Lächeln, das so hell ist wie der Wintertag, an dem er dort frierend stand.

Wiesu schreit sie su?

Ja, würdest du denn nicht schreien, wenn du von einem Dutzend wilder Räuber überfallen würdest? Außer- dem ist Viveka Anderberg Opernsängerin, und darum schreit sie besonders laut.

Ein paar Räuber und Landsknechte sind eigens dafür ausgebil- det, sich zu prügeln, zu kämpfen, vom Pferd zu fallen, mit bren- nenden Sachen aus brennenden Häusern zu springen, die Arme abgeschlagen, den Kopf gespalten zu bekommen und in einem vernagelten Sarg ins Meer geworfen zu werden. Besonders gut gefällt es ihnen, wenn man sie gründlich totschlägt, und gelingt das nicht gleich beim erstenmal, dann lassen sie es sich gern noch einmal gefallen, Stuntmen nennt man sie. Sie sind einfach ver- rückt, könnte man glauben. Tatsache aber ist, daß unsere Stunt men sich auf eine so ausgeklügelte, durchtrainierte und intelli- gente Art in Lebensgefahr begaben, daß es in Wirklichkeit über haupt nicht lebensgefährlich war. Oder nur ein klein bißchen. Der oberste Prügelchef Dan Ying achtete genau darauf, daß die ich getroffen.

Fäuste ein paar Millimeter vor dem Kinn haltmachten, und bei Tagesende zählte er seine Mannen, um festzustellen, daß keiner fehlte. Bei jedem einzelnen zählte er bis zehn, und werdann nicht aufgestanden war, durfte nicht mehr mitmachen.

Entschuldige, kleiner Rumpelwicht, ich habe nur Spaß gemacht. In Wirklichkeit sind diese Tollköpfe geschickte und fleißige Pro- fis, die für dumme Scherze über ihre Arbeit nicht viel übrig haben. Also krieg ich wohl jetzt eins auf die Birne. Aber das macht nichts: Sie schlagen ja nur dicht daneben zu, und ich zucke zurück und schreie Au-aul, Dann sieht es für das Publikum so aus, als wäre ich getroffen.

Wenn etwas besonders Lebensgefährliches gedreht werden soll, zieht sich der Stuntman manchmal die Sachen des Hauptdar- stellers an. Dann nennt man ihn einen Stand-in. Die Bilderfolge unten zeigt, wie Mattis eine Riesenwelle um einen Ast schlägt und dabei Borka, der gerade vorbeigeprescht kommt, aus dem Sattel stößt.

Börje Ahlstedt und Per Oscarsson, die Mattis und Borka spielten, sind beide sehr geschickte Reiter, also war es gar nicht sicher, ob sie einen Stand-in brauchten. Du kannst ja mal raten, wie es hier auf den Bildern damit ist, ich sage nichts. Ein paar Geheimnisse muß man auch für sich behalten.

Für einen Kampf- und Prügelregisseur aber sind nicht die Kämpfer das größte Problem, sondern die Pferde.

Ein Pferd kann man ja nicht vertraulich beiseite nehmen, um die Gestaltung der Rolle mit

ihm freundschaftlich zu besprechen. Man kann ihm nicht einmal zeigen, wohin es gehen

soll. Es steht einfach da und weigert sich, irgendeiner Regieanweisung zu folgen. Ist man für die Aufnahme bereit, schlägt man die Klappe zusammen. Dabei entsteht ein kleiner Knall, und dann scheuen die Pferde. Dann macht man es noch mal.

»Hältst du mich für blöd?<< Genau dafür hält man sie, aber auch das wagt man nicht zu sagen, sonst hauen sie ab auf Nimmerwiedersehen.

Dabei hatte der höchste Pferdechef Bo Carlberg eine Schar ganz ungewöhnlich geeigneter Filmpferde ausgesucht. Und alle Reiter, selbst die ungeübtesten, setzten sich mit Feuereifer

und beinahe Todesverachtung dafürein, bei ihrem Pferd Regie zu führen. Schließlich ist der Reiter ja der eigentliche Pferderegisseur.

Man sagt, jetzt schlagen wir die Klappe so leise, daß sie kaum noch zu hören ist. Dann scheuen die Pferde schon, wenn man die Klappe nur hochhebt, weil sie wissen, daß es gleich knallt. Dann entschließt man sich, die Klappe erst nach der Szene zu schlagen (man tut das in Ausnahmefällen). Man läßt die Kamera laufen und gibt allen ein stummes Zeichen, mit der Szene zu beginnen (Kamera ab, wagt man nicht zu sagen). Dann scheuen die Pferde, weil sie sich mit ihrem Pferdegedächtnis daran erinnern, daß man schon vor zwei Wochen versucht hat, sie in einer

ähnlichen Situation reinzulegen. Und da stehen sie störrisch und starren einem stur in die Augen, als wollten sie sagen:

»Hältst du mich für blöd?<< Genau dafür hält man sie, aber auch das wagt man nicht zu sagen, sonst hauen sie ab auf Nimmerwiedersehen.

Dabei hatte der höchste Pferdechef Bo Carlberg eine Schar ganz ungewöhnlich geeigneter Filmpferde ausgesucht. Und alle Reiter, selbst die ungeübtesten, setzten sich mit Feuereifer

Am schlimmsten war es für den Räuber Labbas, Ricky Bruch, der an das störrische Pferd Gunnar geriet. Ihre Zusammenarbeit läßt sich so beschreiben: Wenn Ricky ritt, als sei ihm der Teufel auf den Fersen, stand Gunnar still.

Und als die Wildpferde, Bobo Nordenskiölds und Leif Ågrens Islandponys, wie ein Sturmwind an der Kamera vorübergebraust kamen, da wagte man kaum stehenzu- bleiben. Wir taten es aber doch. Filmleute sind nämlich auch störrisch.

Sogar Hanna und Dan wurden tüchtige Reiter. Sicherer fühlte sich Hanna freilich, wenn sie auf Christer ritt, der kein Pferd, sondern Tonmeister ist. Ach, wenn Pferde doch seine intellektuelle Begabung hätten!

Auf der vorigen Seite hast du gesehen, wie Hanna und Dan versuchten, sich ihre Wildpferde zu fangen. Ruhig standen die kleinen, lieben Viecher da und grasten, bis die Kamera anfing zu schnurren. Dann aber zischten sie los wie aus der Kanone geschossen, und die Leder- riemen, die wir Racker und Wildfang sehr rücksichtsvoll und behutsam um die Vorderhufe gebunden hatten, rutschten Hanna und Dan so schnell aus den Händen, daß sie ihnen tüchtig brannten.

 

Wiesu tun sie su?

Nun könnte man natürlich sagen, wir seien blauäugige Optimisten, wenn wir uns einbilde- ten, so was könne glücken. Und doch sind uns viele gute Aufnahmen gelungen. Zumindest kann man behaupten, daß sie höchst lebendig sind. Und daneben stand das Wildpferd Lia und grinste.

Jetzt darfst du nicht etwa glauben, Pferde hätten Humor. Lia amüsiert sich hier nicht etwa auf sympathische Art, nein, sie stößt ein robes, unmenschliches Hohngelächter aus.

 

Jetzt erzähle ich dir ein schreckliches Erlebnis, Rumpelwicht. Als wir eines Tages gerade dabei waren, in den mittelalterlichen Unwäldern südlich von

Laxarby zu filmen, kamen zwei Busladungen mit Fünf- und Sechsjährigen. Sie stiegen aus und wirkten ganz friedlich. Plötzlich aber verstummte das Geplapper und Gekicher. Es wur de totenstill. Gebückt wie uralte Leute kamen sie uns drohend entgegengeschlichen. Un- heimliche Zischlaute drangen aus ihren zusammengepreßten Lippen. Und sie kamen immer näher. Ich rief ihnen durch mein Megaphon zu, sie möchten stehenbleiben. Doch sie nä herten sich unerbittlich. Mir kam es vor, als verwandelten sich ihre unschuldigen Kinderfin- ger allmählich in Klauen. Sie schaukelten hin und her wie Gorillas Obwohl die Sonne lach- te, schien sich der Wald durch diese drohenden Unholde zu verfinster, die nun auch noch behaart und zottig wurden. Ihre Augen begannen in magischem Licht zu glühen wie Kat- zen-oder Pantheraugen. Ihr Gezische steigerte sich zu Gefauche und Gebrüll. Gleich wür

den sie uns anfallen. Was sollten wir tun? Wir standen wie versteinert vor Entsetzen da.

Ja, weißt du, diese lieben Kinder, die uns so zu Tode erschreckten, übten nur, unheimliche Graugnomen zu werden. Und schließlich wurden sie es auch. Guck sie dir an! Auch wenn

einer dabei ist, der sein Gesicht verloren hat. Gunta Lide aus Karlstad war die Graugnomenchefin und hatte eine Heidenarbeit damit, die Graugnomen in Schach zu halten. Der eine klaute Bananen genau wie ein Schimpanse. Ein anderer biß Ragge Waaranperä ins Bein. Und der alte Graugnomenvater stand auf seinen Stock gestützt dabei und sah zu.

 

 

Ja, darum, weil Schauspieler privat eigentlich gar nicht besonders interessant aussehen. Deshalb muß man ihr Aussehen verbessern, zum Beispiel mit Schminke und Perücken, mit angeklebten Bärten und Pappnasen und buschigen Augenbrauen und was einem sonst

noch so einfällt. Hier oben ist Siw Järbyn bei der Arbeit. Mit dem Anlegen einer Maske und dem Schminken beginnt man oft schon gegen vier Uhr morgens, und Kaj Grönberg brauchte jeden Morgen drei bis vier Stunden, um Allan Edwall in Glatzen-Per zu verwandeln. Dann war Edwall sich gar nicht mehr ähnlich, wie man hier unten sehen kann. Edwall privat ist der links.

 

Rot ist eine Farbe, die die Schminkabteilung für einen Film, der im Mittelalter spielt, in Mengen vorrätig haben muß, denn damals waren die Leute ja noch so dumm, einander zu bekriegen. Es ging nicht nur massenhaft rote Farbe drauf, wenn die Mattisräuber und die Borkaräuber aufeinander eindroschen, sondern auch, als Ronja Birk im Wald der Unterirdi- schen in die Backe biß und als die arme Stute Lia von einem Bären gerissen wurde. Und blaue Farbe braucht man für ein blaues Auge. Mit einem Spritzer Violett darin.

29 Hier stehen sich Mattis und Borka bei ihrer großen Auseinandersetzung wegen ihrer Kinder am Höllenschlund gegenüber.

Hier stehen sich Mattis und Borka bei ihrer großen Auseinandersetzung wegen ihrer Kinder am Höllenschlund gegenüber.

Der Höllenschlund entstand, als die Mattisburg in der Nacht, da Ronja geboren wurde, mit- tendurch barst. Aber wie sollten wir einen Höllenschlund zum Filmen finden? In Wirklich- keit bersten Berge und Burgen selten auf so wunderbare Art wie in der Welt der Bücher Wir suchten ganz Schweden nach geeigneten Filmplätzen ah, aber die einzigen Höllenschlun- de, die wir entdeckten, lagen nicht in den Bergen, sondern mitten im Wald: in den Kahl- schlägen, wo die Abgründe höllisch ihren Schlund aufrissen.

Zu guter Letzt fand Ulf Axén auf dem Vingnäsberg in der Gegend von Fröskog einen zer- sprungenen Felsen. Um diesen Spalt herum baute er Burgmauem, und so wurde daraus ein mächtiger Höllenschlund in natürlicher Größe.

Aber kann man denn kleine Kinder über so einen gräßlichen Abgrund springen lassen, fragt sich jetzt ein neugieriger Rumpelwicht wie du. Klar kann man das. Man muß sie einfach ein bißchen auf Trab bringen.

Und das machten wir so: Auf den beiden Bildern links ließen wir Hanna und Dan über den echten Abgrund springen

,

und zwar, wie du siehst, mit Sicherheitsvorkehrungen. Wenn man Ronja ein bißchen schräg filmt, sieht man die Planken und die Rettungsmannschaft ja nicht.

Dann filmten wir die ganze Schlucht in ihrer Tiefe aus der Entfernung, und die springenden Kinder filmten wir auf einem flachen Atelierdach von Svensk Film. Wir stellten ein kleines Modell des Höllenschlundes nahe an die Kamera. Sehr viel weiter entfernt sprangen Hanna und Dan auf dem Blechdach hin und her. Durch die Kamera sah es dann aus, als ob sie über die Kluft des Modells hinwegsprangen. Das Blechdach und die Wand darunter zauberten wir mit Hilfe eines Spiegels fort, der ein Stückchen Himmel im Abgrund einfing. Dadurch sah der Himmel darüber aus, als reiche er bis in den Abgrund hinein, und Dach und Haus- wand waren nicht mehr zu sehen.

Hupsen auf Dach rum, wiesu bluß?

Nein, entschuldige, das alles ist für dich natürlich viel zu technisch und schwierig. Wir sprechen von was anderem. Blättre um!

 

 

Hupsen auf Dach rum, wiesu bluß?

Nein, entschuldige, das alles ist für dich natürlich viel zu technisch und schwierig. Wir sprechen von was anderem. Blättre um!

Hier sind wir wieder auf dem Burghof, im Quarzbruch. Alle Bauten standen seit dem Herbst da, und als dort alles tüchtig zugeschneit war, fuhren wir hin und machten die Winterauf- nahmen. Du siehst ein Geleise, auf dem die Kamera entlangrährt. Das Ganze nennt man fahrbare Kamera. Das ist ja wohl nicht schwer zu begreifen, oder? Guck dir die Schienen genau an, bald kannst du solche Dinger nur noch beim Film sehen, denn hierzulande und anderswo ist man ja gerade dabei, die Schienen rauszureißen.

Auf dem Kamerawagen sitzt der Kameramann Rune Ericson mit seinem Assistenten Mischa Gavrusjov. Rune führt die Kamera mit fester Hand, so daß das Bild genau den Ausschnitt hat, den er haben will. Mischa kümmert sich um die Schärfe und dreht mit kleinen, exakten Bewegungen an der Optik. Er muß stets wissen, wie groß die Entfernung zwischen der Kamera und dem, was gefilmt wird, ist. Trotz seines geübten Augenmaßes muß er, bevor gedreht werden kann, die Schärfe nach gewissen Anhaltspunkten einstellen.

Hier hat Mischa die schneeschippenden Räuber gebeten, ihre Schaufeln hochzuhalten, damit er für jeden einzelnen die Schärfe einstellen kann. Mit diesen Entfernungen als Ausgangspunkt weiß er dann, wie er die Schärfe zu verändern hat, wenn Glatzen-Per durch die Räuberschar gewandert kommt.

 

Bei einem Film, der wie Ronja Räubertochter in der Wildnis spielt, muß man die Kamera auf alle mögliche erfindungsreiche Weise handhaben. Wie zum Beispiel, als Ronja und Birk, an eine Birke ge- klammert, auf den Glupafall zutreiben und man zeigen möchte, was sie dabei vor Augen haben. Nur Birkenlaub und strömendes Wasser. Also befestigt man einen Birkenzweig unmittelbar vor der Ka- mera, und dann watet Rune in langen Gummi- stiefeln in den Fluß hinaus und spaziert dort stromabwärts, wobei er mit der Kamera über die rauschende Strömung streicht.

Dann sieht die Kamera, was man sieht, wenn man in einem lebensgefährlich tosenden Fluß dahin- treibt und sich an eine Birke klammert. Es passiert nicht jeden Tag, daß man in so eine Lage gerät, aber für den Bedarfsfall kann es ja gut sein zu wissen, wie das ist.

Rune stand auch mit einer Handkamera unmittel- bar am Glupafall im Wasser, doch das war so grau- sig, daß ich davon keine Bilder zeige, sonst wird das Buch womöglich für Kinder verboten.

 

Hier siehst du unsere Eisenbahnlinie in der Wolfsklamm.

Wir nannten sie die Westliche Hauptverkehrsader. Sie

führte durch die Schlucht Kungsklyftan in Fjällbacka.

Auf der nächsten Seite siehst du zuerst das Modell eines

Wilddrudenkopfes.

Auf dem folgenden Bild macht Per Hjert aus der Tänzerin Annika Listen eine Wilddrude.

Darunter siehst du Annika aufgestellt und aufgehängt im Studio vor einer Projektionswand, womit der Himmel hin- ter ihr eingefangen werden soll.

Nach diesen Vorbereitungen konnten wir ein paar kurze Großaufnahmen der Drude machen.

Einige Szenen mit den schrecklichen Klauen der Wilddru- de in Ronjas Haar nahmen wir so auf, wie auf den beiden unteren Bildern zu sehen ist. Links siehst du die Wirklich keit, rechts den Film.

Alles übrige. der Flug der Druden um die Burg, über den Fluß, im Wald und überall sonst wurde von einem Com- puter gesteuert. Da sich aber ein Computer glücklicherweise nicht selber

ausdenken kann, was er machen soll, hat P. O. Ohlsson zwei Jahre seines Lebens damit verbracht, für ihn zu den- ken, so daß der Computer dann die Druden fliegen lassen

konnte.

Jetzt schauen wir uns an, wie er das gemacht hat.

 

Er nahm einen Adler, maß den genauen Abstand zwischen den Muskelansätzen des Adlers und erhielt auf diese Weise zweitausendfünfhundert Meßpunkte. Mit ihrer Hilfe konnte der Computer den Flug des Adlers bis ins einzelne beschreiben. P. O. fütterte den Computer auch mit Angaben über die Flugtechnik des Adlers: den Rhythmus des Flügelschlags in verschiedenen Lagen, die Stellung der Flügel beim Gleitflug, überhaupt mit allem, was ein Mensch über einen fliegenden Adler herausbekommen kann.

Gleichzeitig zeichnete Ulf Axén Skizzen von einer Wilddrude und ließ ein Modell in natür- licher Größe anfertigen. Es wurde die genaue Kopie einer Wilddrude, so wie sie in Wirklich- keit aussieht. Die Modelldrude wurde von P. O.Ohlsson vermessen und auf Herz und Nieren geprüft, und alles, was er sah, erzählte er dem Computer, indem er die Angaben auf dessen Tasten hämmerte. Auf diese Weise spricht man nämlich mit einem Computer. Und was antwortet der Computer? Tja, er schweigt und ist mit allem einverstanden, und dann sagt man ihm, was er tun soll.

Danach nahm sich P. O. die erste Szene des Films vor, in der eine Wilddrude auftaucht - sie soll über der Räuberburg angesegelt kommen wie ein Vorbote des schrecklichen Gewitters, das die Burg bersten läßt. Von mir erfuhr P. O., wie ich den Flug der Drude inszenieren wollte. Bei Wilddruden kann man nämlich nur durch einen Mittelsmann Regie führen.

Darauf steckten der Wilddrudemregisseurmittelsmann FO. und der Amateur Per Ahhmm ihre klugen Köpfe zusammen. Perist ein Exper te fie Zeichentrickfilme. Die beiden kamen überein. daß man den Computer dazu bringen müsse, nur die Vogelumrisse zu zeichnen und den Vogelflugt über dem Bildschirm ablaufen zu lassen. Dann willten Per und seine Mitarbeiter die Drude auf jedem Einzelbild ko keren und in aller Feinheit ausarbeiten. Auf diese Weise hofften sie su einer neuen Technik zu kommen, die das enorme Bild- und Bewe- gungsgedächtnis des kunstlerisch total unbegabten Computers mit Jem künstlerischen Sinn des Menschen für das Schöne und Form- wollendete vereint

Und dann drückte PO auf die Tasten des Computers und teilte ihm hit, daß die Drude in der Ecke rechts oben im Bild hereinfliegen, eine Kunde um die Burg machen und schließlich hinter den Bergen ver- schwinden solle. Leg los, hämmerte er dann noch rein.

Und der Computer begann ganz von selber zu rattern und zu knat- tern. Nach ungefähr sechs Stunden hatte er mit dem Stift etwa 170 Bilder gezeichnet, die ständig über das Papier oberhalb des Bild- schirms lieten.

Dann bekam der Computer immer schwierigere Aufgaben: fünfzehn Druden, die in der Gewitternacht um den Burgturm fliegen, eine wu- tende Drudenschar die Ronja in den Weiher treibt: eine besonders bose Drude. die Ronja anfällt, als sie hilflos im Schnee am Skihang steckengeblieben ist; und ein riesiger Drudenschwarm, der kurz vor dem Glupafall über dem Fluß dahinsegelt.

Und der Computer tickte fröhlich Tag und Nacht. Arbeitgeber schätzen Computer sehr, weil sie weder Pinkel- noch Kaffeepausen brauchen.

Um ein einziges, sehr kompliziertes Einzelbild zu zeichnen, brauch- te der Computer 110 Minuten. In einem Film laufen vierundzwanzig derartige Bilder in einer einzigen Sekunde ab. Dann wurden die Zeichnungen des Computers von geübter Künst-

lerhand verbessert.

Danach wurde jedes Drudenbild einzeln mit einer besonderen Ka- mera fotografiert.

Schließlich wurden diese Wilddrudenbilder mit den Hintergrundbil- dern der Burg, des Weihers, des Flusses und was es sonst noch so gab ombiniert. Die Zusammensetzung nennen wir »Beipack«<. Das ist ine besondere Methode, die viel zu schwierig ist, als daß ein Rumpel- icht sie verstehen könnte.

 

Das Ergebnis kannst du dir im Kino angucken. Was du hier oben siehst, ist eines der Einzel- hilder von der Jagd der Druden auf Ronja am Weiher. Es ist in dem Arbeitsstadium ausge- sucht worden, als P. O. und dem Computer in guter Zusammenarbeit das Kunststück ge- lang, sogar die Spiegelbilder der Druden im Wasser erscheinen zu lassen. Gar nicht so übel gemacht für einen Computer.

Natürlich war es P. O., der diese Idee hatte. Computer haben keine Ideen, und sollte ihnen

zufällig eine durch Kurzschluß kommen, dann ist es bestimmt eine ziemlich dumme.

 

Dies ist der Bär, der in der Bärenhöhle hauste. Als wir filmen wollten, wurde er ja sozusagen aus seiner Wohnung gefeuert, und darüber war er natürlich nicht gerade erfreut. Wir ver- suchten ihn bei guter Laune zu halten, indem wir ihm ein paar Spielsachen liehen, die wir beim Filmen brauchen. Hier brummt er dem Regisseur etwas in einem Walkie-talkie zu.

Hier siehst du Ronja und Birk in der Bärenhöhle. Sie liegt nicht hoch oben am steilen Bergabhang in der tiefen Stille des Mattiswaldes, sondern unmittelbar neben der Tank- stelle in Gröndal, in dem kleinen Studio von Svensk Film. Doch das Feuer, das ständig vor der Höhle brennt, befand sich hoch oben auf dem Berg mit der phantastischen Aus- sicht über Wälder und Seen. Lovis, die von Lena Nyman gespielt wird und Ronja am Feuer in den Schlaf singt steht in mystischem Einklang mit der Natur und den Ele- menten Feuer, Erde, Luft und Wasser. Das spürt man, wenn man ihr in die rätselvollen dunkelbraunen Augen sieht, in die gefärbten Kontaktlinsen.

Entschuldige, daß ich plötzlich mit so einer nüchternen Bemerkung komme, aber der Stoff, aus dem die zarten Filmträume gewebt sind, ist nun mal maschinengewebt

und aus recht groben Nylonfäden. Das ewige Feuer wird mit Propangas in Gang gehalten. Den Wind, den eisigen Herbststurm, erzeugt ein Hub-schrauber.

Für den Regen sorgt die Feuerwehr.

 

Aber einen Fluß zu fabrizieren, das ging über die Kräfte der Feuerwehr. Der ist völlig echt ! Wir drehten an bestimmten Stellen eines Flusses in nördlichen Jämtland und am Ristafallet in der Nähe von Areskutan. Wir Filmleute teilen uns die Arbeit in Anstrengungen ein damit wir ungefähr wissen was uns von einem Tag auf dem andern blüht.

Normale Filmtage im Atelier oder auf einfachem Gelände zählen für uns nicht zu den Anstrengungen. Kleinere Anstrengungen sind zum Beispiel Wande rungen mit der gesamten Filmausrüstung tief hinein in einen umwegsamen Wald

Eine mittlere Anstrengung kann es sein, folgendes zu organisieren: Vierundzwanzig berittene Räuber überfallen eine Schar Landsknechte, und das alles geschieht im Wasser und bei strömendem Regen, den nur hin und wieder ein Sonnenstrahl durchdringt. Und mit dem als Dame verkleideten Borka, dessen ent- rückende Wuschelperucke nicht naß werden darf.

Ein Beispiel für eine große Anstrengung: An einem bitterkalten Wintertag etwa vierzig Personen mit voller Ausrüstung auf die Spitze des höchsten Berges in Dalsland zu verfrachten und dort zwölf nackte Räuber zu filmen, die sich jeweils nur ein paar Sekunden lang im Schnee waschen und dann wie ein Haufen gestochener Stiere in eine Sauna rasen, die aus einem Militarzelt und ein paar benzingetriebenen Warmluft- aggregaten besteht und eigens für diesen Zweck aufgebaut worden ist.

Die größte Anstrengung erlebten wir gleich an unserm allerersten Drehtag. Ronja und Birk mußten in den Fluß tauchen, um sich vor den Wilddraden zu retten. Wir befanden uns an einem Wasserfall in Jämtland. Es hatte tagelang geregnet, und der Fluß war gestiegen. Die Strömung war wesentlich stärker als vorher. Das Wasser hatte eine Temperatur von 8 Grad. Es war der erste Drehtag in Dans und Hannas Leben. Es goß von früh bis spät. Immer wieder mußten wir auf die kurzen Augenblicke warten, wo es mal nicht regnete. Zum Fluß fielen die Felsen steil ab, und nach oben waren sie noch viel steiler.

Doch es ging, und zwar mit Hilfe von geschickten Froschmännern, heldenmütigen Hauptdarstellern in Taucheranzügen, unermüdlichen Filmleuten sowie Jesper Eliasson und Jakob Schneider, zwei tüchtigen Tauchern im Alter von vierzehn Jahren, die eine Ronja und eine Birkperücke übergestülpt bekamen und die schwerste Arbeit im Wasser zu verrichten hatten.

 

Nach diesem Tag war alles übrige nur noch ein Kinderspiel, wenn auch eins mit Anstrengungen.

Und das ist es wohl, womit wir Filmleute ständig beschäftigt sind: ein Kinderspiel mit Anstrengungen.

 

 

 

Dies ist die Lehrerin Susanne Falk, die während einer Drehpause im Wald Unterricht erteilt. Wenn man so lange von der Schule weg ist wie Hanna und Dan wegen des Films, muß ja da- für gesorgt werden, daß sie in der Schule später nicht nachhinken. Susanne half ihnen beim Büffeln und war den beiden außerdem eine gute und fröhliche Filmmama. Wenn man zehn bis elf Jahre alt ist und einem abverlangt wird, während jeder einzelnen Aufnahme in Top- form zu sein, braucht man jemanden, zu dem man mit seinen Kümmernissen gehen kann. Aber im Grunde ist es für ein Kind vielleicht sogar ein Glück, bei einer gemeinsamen Arbeit die gleiche Verantwortung zu tragen wie die Erwachsenen und zu wissen, daß man für das Endergebnis mindestens genauso wichtig ist wie alle anderen. Du, mein Rumpelwicht, kannst bei diesem Unterricht ja mal heimlich zuhören, damit du

auch etwas lernst, zum Beispiel, daß acht mal neun zweiundsiebzig ist.

 

Wiesu bluß?

Aber natürlich bleibt einem auch Zeit für ein bißchen Privatleben. Als Dan und Hanna von den Flußstrapazen zurückkamen, was taten sie da? Warfen sie sich aufs Bett und verschnauften? O nein! Sie schnappten sich ihre Badesachen und gingen im Swimmingpool des Hotels schwimmen.

Und sie lasen, sie radelten mit Catti, der Regieassistentin, ihrer zweiten Filmmama, sie machten es sich auf einem Sessel gemütlich, und sie tauschten die Perücken, die Jesper und Jakob im Fluß aufgehabt hatten. Eines Tages kamen sie auf die Idee, so zu tun, als seien sie uralte, hinfällige Greise: Sie schlurften, auf ihre Stöcke gestützt, unter einem Regenschirm umher und nörgelten an allem rum.

 

Als Hanna elf Jahre alt wurde, bekam sie als Geburtstags- geschenk ihr Filmbett. Darin liegt man hart und gut.

Im übrigen macht es nicht nur Kindern Spaß, sich zu verkleiden und Unfug zu treiben. Selbst so erwach- sene und würdige Leute wie Tommy Körberg, Henry Ottenby und Per Oscarsson geraten völlig aus dem Häuschen, wenn man sie in Röcke steckt und ihnen einen falschen Busen umbindet.

Rechts siehst du Tommy Körberg als Klein-Klipp mit seinen Sangesbrüdern Turre, gespielt von Rune An- dersson, und Tjorm, gespielt von Claes Janson.

 

 

Meinst du Turres Auge? Er macht es nicht zu, er ist einäugig; das andere Auge hat er in der Hitze eines Gefechts verloren. Und Tjorm ist der rechte Unterarm abhanden gekommen. Und Klein-Klipp hat ein steifes Bein, er kann das rechte Knie nicht beugen. Ja, man muß eine Menge ertragen, wenn man so dumm ist. sich gegenseitig zu bekämpfen.

Nun ist Tommy privat nicht steifbeinig und Rune nicht einäugig, und Claes hat zwei Arme. Aber siehst du, Rumpelwicht, die ärztliche Wissenschaft hat es so weit gebracht, daß man so etwas ohne weiteres regeln kann. Morgens schraubten wir Claes den Unterarm ab und legten ihn in die Tiefkühltruhe, nahmen Rune das Auge heraus und bewahrten es bis zum Abend in Spiritus auf, und Tommy lockerten wir behutsam das rechte Bein, um es gegen einen Birkenstock auszu- tauschen. Abends nach Schluß der Dreharbeiten kam alles wieder an Ort und Stelle.

Wenn du glaubst, daß ich dir etwas vorschwindle, dann geh mal in einen Konzertsaal oder eine Disco, wo diese drei Sänger auftreten. Dort kannst du dich davon überzeugen, daß sie zwei Augen und zwei Arme haben und nicht hinken. Also muß das, was ich dir eben erzählt habe, doch stimmen, oder?

Wenn ein Einarmiger Laute spielen soll, braucht er die Hilfe eines Einäugigen, und wenn Labbas Flöte spielt, piepst es ein bißchen holprig, denn er ist seinen linken Zeigefinger losgeworden.

 

Die Musik in einem Film ist sehr wichtig. Jeder-nicht gerade du, Rumpelwicht-, aber jeder, der einen Schmalfilmprojektor zu Hause hat, kann durch ein Experiment feststellen, daß es so ist. Laß einen Film vom letzten Urlaub laufen, und spiel gleichzeitig eine Platte mit schauriger Horrormusik. Dann verwandelt sich die gute Tante Magda in einen Vampir, und Onkel Jonas kommt einem mit der Bonbontüte so drohend entgegen wie ein Werwolf. Und Rumpelwichte werden dann unheimlich wie Graugnomen. Die Leute, die sich die Film- musik ausdenken, haben also große Macht, auch wenn sie nach außen noch so bescheiden wirken..

Hier erklärt der mächtige Björn Isfält, der unsere Musik gemacht hat, in seiner zurück- haltenden Art, wie das Räuberlied seiner Meinung nach klingen muß. Das wissen die Räuber allerdings schon, denn fast alle Lieder, die in einem Film gesungen werden, sind auf- genommen worden, bevor gefilmt wird. Das Lied erklingt aus dem Lautsprecher, und die Sänger müssen die Lippen nur noch so bewegen, daß Bild und Ton übereinstimmen. Play- back nennt man das. Wenn man sich auf englisch ausdrückt, klingt es nämlich, als verstehe man mehr vom Film.

 

Und dies ist der Choreograph Ivo Cramer, der gerade richtig in Schwung ist und die Tanz- schritte vormacht. Daneben stehe ich und sage wahrscheinlich etwas besonders Gescheites. Eine Räuberbande aus dem finstersten Mittelalter, die keinen Schimmer von Playback und Grundpositionen (wie man einen Fuß im Verhältnis zum andern stellt) hat, muß schon viel im Kopf behalten. Aber wenn die Szene fertig ist und die Räuber ihr Tanzbein schwingen zu den Tönen uralter

Drehorgeln, Spielmannspfeifen, Krummhörner und bierseliger Räuberstimmen - oha, das

klingt! Blättre um, dann kriegst du's zu hören!

 

Du, Rumpelwicht, hast ja ziemlich große Musikohren, also hörst du wohl, wie es hier auf den Bildern klingt?

Du meinst meinen weißen Regiehut?

Ja, das kann ich dir sagen, wenn ich den nicht beim Filmen auf- gehabt hätte, dann würde alles schnurstracks zum Donnerdrum- mel gehen. Filmleute sind unheimlich abergläubisch, mußt du

wissen. Der Hut ist ein magischer Hut. Stell dir vor, ich hätte den Hut nicht aufgehabt, als wir zum Bei- spiel die große Auseinandersetzung am Höllenschlund drehten! Dann wäre allerhand Verrücktes passiert.

Dann wären Hanna und Dan plötzlich übergeschnappt und hat- ten sich geweigert, die richtigen Sachen anzuziehen, und wären statt dessen in albemen Mützen herumgelaufen, die irgendwo rumgelegen haben.

Dann hätten sie vielleicht mit dem Kameramann Rune Ericson gealbert und ihn als Seeräuber verkleidet und eine schwarze Klappe vor sein Kameraauge geklebt; und dieser Fetzen hätte so festgesessen, daß Rune den ganzen Tag lang nichts in seiner

Kamera gesehen hätte. Dann wäre die Produktionsleiterin Anita Tesler, die normalerwei se nicht dumm ist, plötzlich, als sie Kaffee auf den Berg bringen wollte, in geistige Umnachtung gefallen; sie hätte Per Oscarsson

 

die Zunge rausgestreckt, und daraufhin hätte er vor Wut das glei-Dann wäre eine Windhose vorübergezogen und hätte die Burg- che getan und wäre anschließend fuchsteufelswild nach Hause

gefahren. Dann wären Ulf Björks Aufheller in den Höllenschlund gefallen und hätten im Sturz Wille Kökeritz Tonausrüstung mit sich

gerissen. Dann wäre Med Reventberg, die die gertenschlanke Undis, Birks  Mutter, spielt, am Abend plötzlich heißhungrig geworden und hätte sich den Bauch so vollgeschlagen, daß sie in der Nacht rund wie eine Tonne geworden wäre und morgens nicht mehr in Undis Kleid gepaßt hätte: dann hätte sie in einer Art Zelttracht spielen müssen. Bei der Premiere hätte das nach Meinung der Kritiker störend gewirkt, und darum hätten sie den Film verrissen mit der Folge, daß die Leute nicht ins Kino gegangen wären: das hätte ihnen auch niemand verdenken können, denn wer will schon einen Film sehen, in dem Birks Mutter in einem Zweimannzelt

aus Nylon am Höllenschlund Mattis verflucht hätte? Dann hätte Lena Nyman ihre braunen Kontaktlinsen in den Frühstückskaffee fallen lassen, und Börje Ahlstedt hätte sich in aller Herrgottsfrühe aus reiner Zerstreutheit den Mattisbart abrasiert.

mauern aus Plastik weggeweht, und die wären durch die Luft geflogen und vor dem Grandhotel in Amal gelandet, so daß die Borkaräuber, die dort wohnten und gerade zu den Dreharbeiten aufbrechen wollten, nicht aus der Tür gekommen wären, sondern den ganzen Tag lang im Hotel gehockt und Karten gespielt

Wenn wir all dies dank unserer enormen Fähigkeit zur Improvisa- tion doch noch in den Griff gekriegt und Dan und Hanna endlich in die richtigen Kleider gesteckt hätten und gerade bereit ge- wesen wären, um Viertel vor fünf das erste Bild des Tages zu schie Ben, dann wäre Hanna so mir nichts, dir nichts in eine Schlamm- pfütze gepatscht und hätte von oben bis unten wie ein Lehmklos ausgesehen. Dabei wäre auch auf die Kamera Schlamm gespritzt. so daß Mischa Gavrusjov die Filmkassette hätte auswechseln müssen, und wenn wir dann endlich Kamera ab!- gerufen und angefangen hätten, dann hätte sich nachher bestimmt heraus-

gestellt, dal Mischa in der Aufregung vergessen hatte, einen neuen Film einzulegen. All das und noch viel mehr wäre passiert, wenn ich nicht meinen

weißen Regiehut aufgehabt hätte.

 

Er macht aus einem Haus ein Stückchen Waldrand, das siehst du doch. Wer da oben herum- fuhrwerkt, ist Pontus Lindblad, der Requisiteur. Er verwaltet die Requisiten. Darunter ver- steht man alle Sachen und Gegenstände, sozusagen das ganze Drum und Dran, das zu einem Film gehört. Und das ist nicht wenig, genaugenommen sogar alles zwischen Himmel und Erde. Der Ausstatter Ulf Axen einigt sich mit Pontus darüber, wie jedes Ding aussehen soll. Und Pontus' Aufgabe ist es dann, dieses Ding herbeizuschaffen oder anzufertigen. Sachensucher könnte man einen Requisiteur nennen, wenn man sich ein Wort klaut, das Astrid Lindgren sich ausgedacht hat.

Der Grund dafür, daß Pontus über Dach und Schornstein grüne Tarnnetze breitet, ist, daß dieses Dach in der Kamera zu sehen war, und es hätte ja nicht so gut gepaßt, wenn am Ende

der Wolfsschlucht ein modernes schwedisches Einfamilienhaus gestanden hätte. Natürlich stammen auch die Tarnnetze nicht aus dem Mittelalter, aber das macht ja nichts.

Viele von den Dingen, die Pontus so ausgräbt, sind jedoch wirklich Jahrhunderte alt. Er leiht sie sich aus Museen oder stöbert sie sonstwo auf. Bierhumpen und Holznäpfe, die in der Steinhalle herumstehen, sind zum Beispiel solche alten, kostbaren Museumsstücke, und Gott gnade dem, der sie kaputtmacht!

Der Bierhumpen aber, den Mattis an die Steinwand wirft, so daß er in Scherben geht, der war eigens dafür hergestellt und so spezialbehandelt, daß er auf Anhieb und deutlich sichtbar in Stücke zerfiel. Da wir gezwungen waren, diese Szene dreimal zu drehen, was ja häufig pas

siert, mußten Pontus und seine Mitarbeiter die Scherben zwischen den Aufnahmen wieder geduldig zusammenkleben. Tausend solcher Probleme hat ein Requisiteur zu lösen. So wurden zum Beispiel Ronjas mittelalterliche Skier nach allen Regeln der Kunst geschnitzt. Auf diesen breiten Brettern

mit primitiver Bindung zu fahren, war nicht gerade einfach. Und das auch noch mit nur einem Stock! Kein Wunder, das sie den einen Ski verlor und in einem Rumpelwichtloch landete.

Auf dem untersten Bild zeigen Pontus und Ulf stolz einen Lachs und eine Streichholz schachtel vor, genau wie gewiefte Preisangler. Dabei haben sie den Lachs in Norwegen ein- fach gekauft. Als ob das nun etwas zum Angeben wäre, in Norwegen einen Riesenlachs zu kaufen! Norwegische Lachse sind doch sowieso viel, viel größer als schwedische.

Wiesu raucht es su bei dem Mann?

Das ist kein Rauch, das ist Nebel, das siehst du doch Und es ist auch kein Mann, sondern Eva Ivarsson, die Spielleiterin.

Im Grunde aber hast du recht damit, daß es raucht. Denn Filmnebel muß man sich selber machen, und zwar mit Rauchkerzen. Das sind weiße Stumpen, die ungefähr aussehen wie

richtige Kerzen. Wenn man sie anzündet, rauchen sie ziemlich kräftig Außerdem gibt es noch große Nebelpistolen, die soviel Rauch ausstoßen wie hundert Rauchkerzen.

Und jetzt hör auf einen guten Rat. Rumpelwicht. Solltest du vorhaben, irgendwann mal ei nen Film zu machen. laß dich auf keine Szene mit Nebel ein. Etwas Mühsameres, als Nebel herzustellen, gibt es einfach nicht. Das kriegt nur die Natur selber richtig hin. Doch bisher hat sie uns noch kein einziges Mal Nebel geboten, wenn wir ihn beim Filmen brauchten. Und sollte es im Morgengrauen ausnahmsweise einmal etwas diesig gewesen sein, wenn alle Nebelfilmleute endlich zur Stelle waren, dann war der leichte Schleier bestimmt schon wieder verflogen, bevor wir die Kamera startbereit hatten. Und dann muß man zu seinen Rauchkerzen greifen.

 

Wir rennen mit den Rauchkerzen im Wald herum, bis es neblig genug ist. Dann rufen wir Aufnahme und lassen die Kamera laufen. In die sem Augenblick dreht sich der Wind, der Rauch weht weg, und wir stehen bei klarem Wetter mit unserem Mundschutz dumm da. Wenn man sich lange in solchem Rauch aufhalten muß, ist so ein Mund- schutz schon recht nützlich, denn auf die Dauer ist der Rauch un- angenehm. Falls er nun ausnahmsweise geruht, ein Weilchen zu bleiben.

 

 

Aber die Schminkmeisterin Siw Järbyn, die nahm sich ihren Mund- schutz hin und wieder ab, um ganz freiwillig selbstfabrizierten Rauch einzuatmen. Da nahm Joakim die Gelegenheit wahr, ein gutes Antirauchbild zu schießen.

 

 

 

 

Wir sehen, wie gesagt, ziemlich bescheuert aus, wie wir da mit un-

seren Rauchkerzen und Gesichtsmasken rumlaufen wie eine Schar

verinter Operationsschwestern. Darum ist es vielleicht nicht ver- wunderlich, daß Hanna über das ganze Gesicht grinsen muß, als wir endlich mal ein Bild knipsen können. Natürlich müssen wir das Ganze jetzt noch mal drehen. Bis dahin aber hat sich der Nebel wieder verduftet.

 

Dies ist Mona Haskel. Sie ist Skriptgirl. Jetzt will ich dir er-

zählen, was ein Skriptgirl zu tun hat. Wie du siehst, schreibt sie etwas in eine dicke Mappe, Nurjede zweite Seite ist eine Drehbuchseite: die andere Seite ist leer.

Darauf macht Mona ihre Notizen.

Wenn es regnet, muß sie alles in Plastikfolie wickeln, denn sonst ist in ihrer Mappe bald nur noch Papierbrei, Sie schreibt auf, was jede Szene darstellt, welche Optik die

Kamera gerade hat, wie sich die Darsteller benehmen, ob sich ihr Dialog vom Text des Drehbuchs unterscheidet, ob sie ihre Blicke nach links oder nach rechts von der Kamera richten

und noch eine Unmenge anderes.

In welche Richtung die Leute gucken, muß man nämlich wis sen, denn wenn man eine Nahaufnahme von Ronja hat, auf der sie Birk von rechts anguckt, dann muß Birk in seiner Nahaufnahme sie natürlich von links ansehen, denn sonst wirkt das Ganze einfach verrückt.

Außerdem achtet das Skriptgirl darauf, daß alles von der ei- nen Aufnahme zur andern stimmt. Wenn Mattis bei der einen Aufnahme auf einem weißen Pferd galoppiert und das Pferd bei der nächsten plötzlich schwarz ist, muß sich das Publikum ja fragen, was da eigentlich los ist. Nun vergißt man Pferde nicht so leicht, wie aus dem, was ich vorher von Pferden er- zählt habe, hervorgeht, aber sich an andere winzige Kleinig- keiten zu erinnern ist oft schwierig, besonders dann, wenn, wie so häufig, mehrere Monate zwischen den Dreharbeiten an einer einzigen Szene liegen.

Die Aufnahme von Ronja auf dem Weg vom Fluß zur Bären- höhle machten wir beispielsweise im Mai. Die unmittelbar vorausgehende Szene aber, als sie die Burg verläßt, drehten wir schon im September des Vorjahres.

 

Als wir im Mai am Fluß standen, bildete ich mir plötzlich ein, das Bündel, das Ronja schlepp- te, sei nicht so prall wie im Herbst zuvor. Wir füllten das Bündel auf, so daß es praller wurde. Jetzt behauptete Mona, es sei zu prall. Daraufhin nahmen wir wieder etwas raus. Jetzt fand ich es wieder zu leer, aber da entschied Mona, daß es genauso prall sei wie im Herbst. Wahr- scheinlich hatte sie recht, denn das hat sie ja immer. Keiner, der den Film sieht, wird einen Unterschied merken. Außerdem sitzt das Publikum ja nicht da und überlegt, ob das Bündel von Aufnahme zu Aufnahme gleich groß ist, denn dann kann es genausogut nach Hause ge- hen, weil es den ganzen Film langweilig findet. Solche Leute sollten sich lieber Filme in ihrem Fernseher angucken, wo die Bilder so lächerlich klein sind, daß man ein Pferd kaum von einem Hasen unterscheiden kann.

Aber Fehler in Filmen finden ist ein beliebter Sport. Klapp-Fehler könnte man sie nennen. weil etwas nicht klappt. Die Aufgabe des Skriptgirls ist es, dafür zu sorgen, daß im Film alles klappt und sozusagen selbst die Klappe zu halten. Und das ist nicht leicht.

Wenn du umblätterst, kannst du noch andere Leute als Ronja sehen, die ihr Bündel durch den Wald schleppen.

Wie der Film läuft

Die Wunderwelt des Films läuft nie, man trägt sie oft mit weichem Knie. Willst filmen du, dann ist es wichtig, sehr viel zu schleppen. Lern es richtig! Den ganzen Krempel, den wir brauchen, in Kisten, Säcke wir verstauchen und stiefeln stetig ohne Hetzen bergauf, bergab zu allen Plätzen, wo wir mit Bildern fleißig lügen. das Publikum, wie's wünscht, betrügen. Stein, Himmel, Baum, sogar den Berg als Pappkulisse, Mogelwerk. verfrachten wir mit viel Hauruck in die Natur, die uns nicht gut genug. Selbst Mensch und auch das liebe Vieh läßt tragen sich vom Filmgenie. Zerbrechlich! Vorsicht! Aufgepaßt! Man trägt nicht nur des Lebens Last, nein, Kameras schleppt man, Kannen voll Kaffee für die müden Mannen, dazu Stative, Bier und Lampen, Fertiggerichte, Brote, Rampen. Die Hanna ist nicht ausgenommen. Den Berg hatt sie wohl noch erklommen. jedoch es piekste in den Füßen, den nackten, und wir mußten's büßen. Auf Börje Larssons starkem Arm hält sich ein Rumpelwichtchen warm. Tun uns die Beine allzu weh, fahrn wir mal Scooter durch den Schnee. Und Produktionschef Bergendahl steht in des Winters weißem Saal - hellblaue Jacke, dort am Rande - verpackt die ganze Räuberbande schön warm zu flinkem Abtransport. bevor die Zehen frieren fort. Auf schnellen Kufen zur Natur bringt man des Filmes Hochkultur. Doch in das Kino um die Ecke fährt dann das Publikum die Strecke bequem im Auto-ach, wie schön!- um staunend unsern Film zu sehn.

 

 

Das sind die Brotfladen, die Ronja backt, so wie sie es von Lovis gelernt hat. Doch Lovis' eigenes Brot roch noch viel besser, jedenfalls fand Ronja das. Kein Brot riecht so gut wie Mutters, das macht. ist dir ja wohl klar, Rumpelwicht.

Wenn man für einen Film mittelalterliches Brot herbeischaffen muß, kann man nicht einfach in ein Museum gehen und fragen, ob sie so was in einer Vitrine haben, denn das haben sie nicht, und die man ihnen servierte. hätten sie es, wäre es bestimmt total verschimmelt.

Also mußten wir es uns selber backen. Das heißt, wir baten eine Expertin, Astrid Johansson vom Berghotel Blåsjön, uns solche Brotfladen so zu backen, wie sie ihren Duft einst über den Mattis- wald verbreiteten, wenn Lovis Backtag hatte.

So sehen sie also aus, und dies ist das Rezept:

350 g grobes Roggenmehl

350 g Vierkornmehl

200 g Gerstenmehl

150 g Weizenkleie

25 g Here

Teelöffel Salz

ca. 1 Liter Wasser Den Teig eine halbe Stunde gehen lassen.

Runde Fladen formen. In der Bratpfanne, etwa zehn Minuten auf jeder Seite, bei schwa-

cher Hitze backen.

Eigentlich müßte das Brot natürlich auf einem warmen Stein über offenem Feuer gebacken werden, so wie es Ronja im Film

Uns schmeckte dieses Brot gut. Überhaupt hätte die mittelalter- liche Küche wohl Pelje und Knotas und Sturkas und Lovis besser gemundet als die infra-gewärmten Fertiggerichte in Aluformen,

Das Essen aus dem Film fand allgemein großen Anklang. Als wir die Szene mit dem Riesenlachs abgedreht hatten, wurde er ge- beizt und feierlich verspeist. Und auf dem Bild darunter sieht man deutlich, wie Lena und Med und Hanna und Dan schon beim blo- Ben Gedanken daran, wie gut das geröstete Lamm nach der Arbeit schmecken wird, das Wasser im Munde zusammenläuft. Sonst aber ist es mit dem Essen im Film so eine Sache. Nie im Le-

ben vergesse ich die Krebse aus einem anderen Film: Sie dufteten nicht gerade köstlich, nachdem sie drei Wochen lang auf dem fest- lich gedeckten Tisch gestanden hatten, während wir auf das geeignete Filmwetter warteten. Noch heute riecht meine innere Nase, wie sie damals rochen.

Wie sie heute, zwanzig Jahre später, riechen würden, wage ich nicht auszudenken.

Wiesu machen sie mich nach?

Ja, Rumpelwicht, dies ist die Schauspielerin Lillemor Ohlsson, der Kaj Grönberg gerade die Rumpelwichtmaske anlegt. Wenn man Rumpelwichte filmt, dann kann man natürlich nicht x-beliebige, normale Rumpelwichte nehmen wie zum Beispiel dich, sondern man braucht dazu geschulte Leute, die man so schminkt, daß sie aussehen wie Rumpelwichte. Als mant Tarzan, den Affensohn, filmte, holte man sich ja auch nicht den ganz gewöhnlichen Sohn eines Affen, sondern den Weltmeister im Schwimmen, der Johnny Weißmüller hieß. Dabei hatte er in seinem ganzen Leben noch nie einen Dschungel gesehen außer im Kino. Darum also werden die Rumpelwichte im Film von Lillemor Ohlsson, Linda Krüger, Annika Sjögren, Johan Grönberg und noch ein paar gelenkigen und begabten Typen gespielt. Daß wir dich nicht dazu aufgefordert haben, liegt daran, daß sie sich den Regieanweisungen bes- ser fügen als du. Sie tun, was man ihnen sagt, ohne ständig Wiesu? zu fragen.

 

 

Wie können diese Schauspielerinnen, die etwa 160 cm groß sind, und der siebenjährige Johan, der 115 cm mißt, plötzlich nur einen halben Meter groß werden wie ein normaler Rumpelwicht, fragst du vielleicht. Dann antworte ich dir, daß man das mit Lug und Trug und Mogelei macht. Man nimmt alle Filmtricks zu Hilfe, die man bei alten Filmhasen ge- lernt hat, deren Beruf es ist, einem auf sehr gerissene Art mit Bildern etwas vorzuflunkern. Ja, wir Filmhasen haben es alle faustdick hinter unseren Löffeln, und so soll es auch bleiben. Warum verraten wir nichts.

Wie kann Ronja im Vergleich zu den Wichteln Annika Sjögren, Louise Raeder und Johan Grönberg nur so groß aussehen?

Und wie kann ich, der ich eine besonders lange Latte bin, plötzlich zu einem kleinen Mini- regisseur mit einer Pudelmütze werden, die nicht größer ist als ein Ei? (In Wahrheit hatte Ich meinen weißen Regiehut darüber gestülpt, doch der ist im Winter nicht zu sehen, weil dann ja alles weiß ist.)

Wie kann Ronja im Vergleich zu den Wichteln Annika Sjögren, Louise Raeder und Johan Grönberg nur so groß aussehen?

Und wie kann ich, der ich eine besonders lange Latte bin, plötzlich zu einem kleinen Mini- regisseur mit einer Pudelmütze werden, die nicht größer ist als ein Ei? (In Wahrheit hatte Ich meinen weißen Regiehut darüber gestülpt, doch der ist im Winter nicht zu sehen, weil dann ja alles weiß ist.)

Und wie kann ein Rumpelwicht die winzigen Hände ausziehen und darunter noch ein Paar kleinere haben, die einen Plastikbecher halten, der nicht größer ist als ein Fingerbut? All das kann man fragen. Aber eine Antwort darauf kriegt man von den Film- leuten nicht, denn sie lassen sich nicht in die Karten oder richtiger in die Dreh- arbeit gucken. Genausogut könnte man versuchen, von einem Rumpelwicht etwas vernünftiges zu lernen.

Und wenn du glaubst, unter dem Wurzelgeflecht des umgestürzten Baumes steht ein großer, verkleideter Mensch, dann ist du dich. Jeder, der Augen hat kann sehen, daß der Wichtel höchstens einen halben Meter groß ist: man braucht ihn ja nur mit dem Tannenzapfen zu vergleichen, den er an einer Schnur um den Hals trägt.

 

Diese Dame ist auch ein Rumpelwicht.

Das hättest du nicht gedacht, weil es vielleicht nicht zu sehen ist. Aber zu hören. Was hier hergestellt wird, ist nämlich eine Rumpelwichtstimme. Birgitta Valberg ist Schauspielerin am Dramatischen Theater in Stockholm, und sie brum- melt genauso wie ein Rumpelwicht, glaub mir.

Aber warum macht man die Aufnahme für sich und die Stimme auch?

 

Nun, wenn man draußen filmt, geraten oft Geräusche in die Mikrofilme, die man gar nicht haben möchte. Auf dem Weg durch den Wald kommt ein Lastwagen vorbeigedonnert. Dieses Geräusch können wir im Film nicht gebrauchen, weil es im Mittelalter ja noch gar keine Lastautos gab. Freilich könnte man das Bild eines brummenden Bären hineinschneiden und so tun, als hätte er dieses Lastautogebrumm von sich gegeben, aber es dürfte schwierig sein, die Leute glauben zu machen, daß ein Bär so anhaltend und häßlich brummt wie ein Fernlaster. Da ist es schon einfacher, den Ton, der zu den Außenaufnahmen gehört, durch einen Ton zu ersetzen, der im Studio aufgenommen wird.

Und so wird es gemacht: Birgitta Valberg verfolgt das Bild des Rumpelwichts auf einem Videoschirm und sagt die Worte des Rumpelwichts so, daß sie mit seinen Lippenbewegungen genau übereinstimmen. Danach gibt man das Tonband dem Tonmeister, der es parallel zum passenden Filmausschnitt legt und dafür sorgt, daß alles genau stimmt. Sollte die Stimme eine Zehntelsekunde länger oder kürzer geworden sein als die im Film, dann kann der Tonmeister von den kleinen Pausen zwischen den Wörtern entweder etwas wegschnippeln oder sie verlängern.

Also spricht der Bildrumpelwicht mit der Stimme des Tonrumpelwichts Birgitta Valberg. Bei den Aufnahmen sagten die gefilmten Rumpelwichte zwar dieselben Sätze, aber durch Ihre Rumpelwichtmaske wurde ihre Sprache so entstellt, daß man sie beim Nachsynchro- nisieren - so nennt man die nachträgliche Dialogaufnahme nur als Anhaltspunkte benutzen konnte.

Für gewöhnlich synchronisieren sich die Schauspieler natürlich selber, falls der Originalton der Aufnahme nicht zu verwenden ist. Hier siehst du Hanna und Dan, wie sie mit dem Mund im Wasser um Hilfe schreien, als sie im Fluß nähe am Ertrinken sind. Es machte Hanna und Dan viel, viel mehr Spaß, in einer Schüssel voll Wasser zu blubbern, als während der erwähnten Super-Anstrengung den hundekalten Fluß abwärts zu treiben.

 

Hier gucken sich Dan und der Tonmeister Christer Furubrand ein paardersiebzig Kilometer langen Tonbänder an, die für Ronja Räubertochter draufgegangen sind. Schritte steht auf einer ganzen Reihe im Kassettenregal. Es sind alle nur erdenklichen Schritte, die der Schrittmacher Per Carleson getan hat. Bei Aufnahmen ist das Geräusch von Schritten oft unbrauchbar, weil es zu schlecht zu hören ist oder falsch klingt (in einem Studiobau geht man beispielsweise oft auf Kunststoff statt auf Steinen). Also muß man ein neues Geräusch machen, sozusagen mit den Füßen nachsynchronisieren. Per geht zu einer geeigneten Stelle im Wald oder sonst wohin in der Natur und nimmt seinen Videorecorder mit dem da- zugehörigen Bildschirm mit. Dort marschiert er, stur auf den Bildschirm starrend, los, ge- nau wie Mattis oder Borka oder alle die andern, nur daß er dabei ein Mikrofon in Fußhöhe hält. Wenn du ihn irgendwo triffst, ruf bitte nicht die Polizei! Er ist völlig normal. Außerdem ist Christer, der hier auf dem Bild mit Dan spricht, die Stimme der Wilddrude. Er nimmt sein höhnisches Gekrächze und Gefauche auf, läßt das Band dann mit erhöhter Geschwindigkeit ablaufen, schneidet hier ein paar tiefe Tone weg, fügt da ein Echo ein und fummelt sich seine Stimme bis zu schauriger Unkenntlichkeit zurecht. Nachts aber wird er wirklich zur Wilddrude, so wie Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, und fliegt mit

wildem Hohngelächter über den Nachthimmel. Kein Wunder, daß die Leute meinen, Filmemacher sind nicht ganz bei Trost

 

Siehst du, daß sich Hanna ihr langes Ronjahaar hat abschneiden lassen? Das allein zeigt, das die Dreharbeiten beendet sind und die sogenannte Nacharbeit begonnen hat. Hier macht Hanna dem Schrittmeister Jan Persson vor, wie man auf einer selbstgeschnitz- ten Weidenflöte spielt, und das siehst du ja auch auf dem Bildschirm, der auf dem Schneide- tisch steht.

Wenn man einen Film dreht, braucht man mindestens zehn-, vielleicht sogar zwanzigmal soviel Meter Film, wie der Film dann zeigt. Das ist eine Menge, aber wenn Astrid Lindgren sich solche filmfressenden Sachen ausdenkt wie Nebel und Pferde, dann muß man damit rechnen, daß ein gut Teil der Aufnahmen, auf denen von Nebel und Pferden kein Dunst zu sehen ist, im Papierkorb landet.

Jans Arbeit ist es, rund dreißig-bis vierzigtausend Meter Filmauszumerzen und den Rest zu einem strahlenden Kunstwerk zusammenzuschneiden. In Ronja Räubertochter gibt es etwa 1500 Szenen, und die werden dann im filmtechnischen Labor durch die Mängel gedreht: Lichtbestimmung. Überblenden und prints aller Art (wie zum Beispiel einen Wasserfall im Sturz aufhalten, so daß das Wasser stillsteht).

Inzwischen nimmt das Mischen einige arbeitsreiche Wochen in Anspruch, das heißt, man mischt alle Töne und Geräusche auf den unzähligen Bändern: Dialoge, Lachen, Schluch- zen, Stöhnen, Achzen, Hufgeklapper, Donner, Blitzezischen (in Wirklichkeit zischt ein Blitz nie, aber es macht sich im Film trotzdem gut), Trampeln, Knarren, Sausen, Brausen, Krachen, Plätschern, Knister, Knacken, Grunzen, Surren, Klirren, Knirschen, Wiehern, außerdem Klänge, Gesang, Musik, Gezwitscher, Gezirp, Gebrumm, Gebrüll, Geschnaube und nicht zu vergessen das schwache Trip-trap, das entsteht, wenn ein Igel über trockenes

Gras wandert. All das mischt der oberste Tonmeister Berndt Frithiof zu einer verführerischen Sinfonie lieb

- licher Flüsterlaute und unheimlicher Rufe zusammen. Dann ist es endlich soweit, die Filmkopien herzustellen, die im Kino gezeigt werden. Da-

nach wird der Ton auf einen Streifen der eigentlichen Filmrolle überspielt (optischer Ton). Was dabei herauskommt, wird an die Kinos geschickt, während wir jetzt ausgehen und einen Happen essen

Und Glatzen-Per macht einen so hohen Freudensprung, dafs ihm dabei ein Tonchen entfährt. Auch den Laut muß man mit einem Schauspieler nachsynchronisieren, der dafür besonders begabt ist.

Aberja, Glatzen-Per stirbt, doch zum Glück ist auch das nur Schauspielerei. Und die Tränen

am Sterbebett sind nur aus Glyzerin. Wir, die wir einen Film machen, lügen dir die Hucke voll. Glaub uns kein Wort!

Doch die wahre Kunst ist eine Lüge, die die Wahrheit zeigt, das hat der berühmte Maler Picasso einmal gesagt. Und natürlich ist alles wahr, auch wenn es Lüge ist. Wenn du umblätterst und dir die Mattis-

und die Borka-Sippe auf dem großen Versöhnungsfest ansiehst, dann spürst du bestimmt, daß wahre und echte Freude gleich einem Frühlingswind durch die Steinhalle weht, nicht wahr?

Wenn alle schönen Filmlügen nur ausgedacht wären, würde man ja den Glauben an alles verlieren!

Sie spielen nicht froh, sie sind froh! Und Glatzen-Per spielt nicht tot, er ist tot! Das eine ist komisch und das andere tragisch, aber beides ist wirklich und wahrhaftig wahr!

Paß auf, sie kummen von hinten geschlichen! Wiesu bluß?

Ja, sie machen einen Film darüber, wie wir filmen. Einen Hinterrücksfilm sozusagen. Halvor

Naess und Lasse Ulander filmen Hanna hinterrücks, während sie probt oder was sie nun ge-

rade tut. Elin Eriksen ist die Aufnahmeleiterin dieses Films, der norwegischen und schwe- dischen Schulkindern und auch Erwachsenen gezeigt werden soll. Eigentlich filmen sie ja gar nicht hinterrücks. Hanna weiß, daß sie da sind. Sonst wäre es ja

auch sehr rücksichtslos. Dieser ganze Wirbel mit Gefilmtwerden und Interviews in Funk, Fernsehen und den Zeitun- gen kommt für ein Kind, das so etwas ja nicht gewohnt ist, sehr plötzlich. Dabei ist es un- erläßlich, daß die Interviewer dem Kind Respekt entgegenbringen, vor allem auch dann, wenn das Kind nicht interviewt werden will.

 

Nicht will, wiesu bluß?

So fragt nur jemand, der sich ständig vor die Kamera drängt. Tatsächuca glauben viele Leu- te, daß Schauspieler gar nicht genug davon bekommen können, sich zu zeigen, wann und wie und wo auch immer. Das ist durchaus nicht so. Sie möchten ihr Privatleben ungestört und für sich haben. Und bei Kinderschauspielern ist es natürlich besonders wichtig, daß sie nicht dauernd von Gaffern umringt sind, die erstaunt ausrufen: Nein, guck doch bloß, die sind ja genau wie gewöhnliche Menschen! Wie sollten sie denn sonst sein? Wie Affen? Oder wie Rumpelwichte? Ich bin froh darüber, daß Hanna und Dan längst nicht so wild darauf sind, interviewt zu wer

den, wie du, Rumpelwicht. Sie sind klug und nur mäßig daran interessiert, sich zu produ- zieren. Und beide haben kluge Eltern, was für öffentliche Kinder sehr wichtig ist. Trotz allem haben wir sehr fröhliche und vergnügliche Presseempfänge erlebt wie hier auf dem Bergam verbrannten Wald. Manchmal aber waren Dan und Hanna es gründlich leid.im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Wie hier rechts, wo Hanna gleichzeitig von el- nem gewöhnlichen Filmemacher und einem Hinterrücksfilmemacher gefilmt wird und An- weisungen von einem gewöhnlichen Regisseur und einem Hinterrücksregisseur erhält.

Kein Wunder, daß sie gähnt. Vielleicht spielt sie das aber nur, denn in dieser Szene mußte sie auf einem Stein im Mattis- wald einschlafen.

Hier besprechen Hanna und ich, wie wir die nächste Szene filmen Wir trugen sozusagen den lieben langen Tag unter unseren Ano- wollen. Vermutlich erzähle ich ihr, wie es rein praktisch zugehen soll: wo die Kamera stehen wird, wie sie sich im Verhältnis zur Kamera bewegen soll, welchen Blickpunkt sie haben soll, wenn sie nach Birk ruft, und allerlei Derartiges. Da ich miraberstatt des Drehbuchs das richtige Buch vorgenommen habe, glaube ich, hen wollten, beschrieben hat. Das wirkte wie ein glückbringen. das wir uns vorallem daran erinnern wollen, wie die Stimmung in der Schubs von hinten. dieser Szene war, als wir sie am selben Morgen aus dem Buch vor gelesen bekamen. Wir hatten nämlich jeden Morgen, wenn still und andachtsvoll das Schminken stattfand, eine Lesung aus Astrid Lindgrens Buch. Catti las uns den Abschnitt des Buches vor, den wir am selben Tag filmen wollten. So nahmen wir, wenn wir in Wald und Berg hinausgingen, gleichsam Astrid Lindgrens malende, lebendige, lustige und dramatische Erzählkunst mit.

raks eine kleine Astrid. Da steckte sie, linste hervor und plapperte drauflos wie ein Rumpelwicht. Und wenn dann alles für die Aufnahme bereit war, erinnerte sich Hanna daran, wie Astrid Ronjas Gefühle in der Szene, die wir dre

Aber natürlich mußte auch der Dialog des Drehbuchs gelernt werden, der Text mußte wie angegossen sitzen. Das ist nicht so leicht, besonders dann nicht, wenn man wie Dan eine große Wun- de an der Stirn hat. Sobald er seinen Text im Kopf hatte, floß der aus dem Loch wieder heraus.

Und wenn die Dialoge sitzen, dann fangen die Kameraproben an: das Agieren und die exakte Plazierung der Schauspieler, die

Bewegung der Kamera, die Fahrt, das Zoom, die Schärfeein- stellung, ferner Aufstellung und Anwendung von Requisiten. Kostüm- und Schminkkontrolle... Wenn dann schließlich alles aufnahmebereit ist, sind alle voll ungeduldiger Spannung wie Rassepferde vor dem Start.

Ist aber bitterkalter Winter, und die Aufnahmen erfordern einen nackten Oberkörper, erwartet man den Augenblick, wo man sich den Pelz ausziehen muß, nicht ganz so ungeduldig wie sonst. Dann sehnt man sich nach dem Frühling. Und dann kommt er ja auch. Man braucht nur in der wärmenden Sonne zu stehen und darauf zu warten, daß sie nachmittags lieblich durch das junge Grün der Birken fällt und genau das richtige Gegenlicht im Haar des jungen Paares hervorruft.

Hast du, Rumpelwicht, gehört, wie Ronjas Frühlingsschrei zwischen den Baumstämmen auf der von Buschwindröschen übersäten Waldwiese widerhallte? Und hörst du hier, wie ihr Schrei sogar das Tosen des Wasserfalles übertönt? Oder wie der Schlußschrei auf der nächsten Seite sein Echo über halb Dalsland wirft? Begreifst du, wie jubelnd froh man ist, wenn man so schreit? Ach, du hörst ja gar nicht zu.

 

Keine Füße, wiesu bluß?

Wart's doch ab. Du kriegst sie ja noch. Per Ahlin ist gerade dabei, dich zu erschaffen. Auch wenn er sich noch nicht ganz im klaren darüber ist, wie du aussehen sollst.

Am Mittwoch, dem 13. Juni 1984, um Viertel nach vier machten wir die letzte Aufnahme des Films. Daraufhin stieß das Filmteam einen einstimmigen Frühlingsschrei aus, der die gesamte Natur in bassem Erstaunen verstummen ließ: Elche wurden ohnmäch- tig. Lachse sprangen zu hoch und lagen japsend auf den Klippen, Aber es ist auch eine ungewöhnlich kluge Welt. Klug in ihrer be der See sank zwölf Meter, ohne daß dies auch nur das mindeste mit einer Wasserregulierung zu tun gehabt hätte, und die Dachse machten ihren Bau dicht.

Wenn man in den Zeitschriften über dämonische Regisseure und extravagante Filmstars liest, entsteht leicht der Eindruck, Film- unterliegt er wohl als einziger der Zensur. arbeit sei unerhört autoritär. Man sieht einen Diktator vor sich, der im Kulturdezernat gelandet ist. Wie ein Besessener brüllt er seine angstschlotternde Kulturarbeiterkompanie an. Er schindet alle mit seiner teuflischen Genialität, nurnicht seine Geliebte, die die weibliche Hauptrolle spielt. Dank dieses Schreckensregimen- wesen treiben.

tes ist das Ergebnis einfach großartig

Natürlich ist das erstunken und erlogen, wie überhaupt alles in der Filmwelt. Gewiß können Regisseure mehr oder weniger dä- ten Profis. monisch sein, jeder auf die ihm eigene (häufig sehr stille) Art. Ge- wiß können Stars ihre Launen haben, Und gewiß erfordert jeder nicht klar. Augenblick den selbständigen und klaren Entschluß, nicht nur den des Regisseurs, sondern - je nach Arbeitsgebiet - auch den Auge reicht.

jedes einzelnen Mitglieds eines Filmteams. Wenn man sich aber einbildet, eine Filmgruppe sei organisiert wie die künstlerische Abart der Fremdenlegion, dann irrt man

sich.

Als wir dort im Wald unseren Frühlingsschrei ausstießen, mach- ten wir dem jubelnden Gefühl Luft, daß wir gemeinsam etwas Gu- tes zustande gebracht haben. Aber jeder einzelne schrie auch für sich selbst: Ich bin mit mir zufrieden und vielleicht sogar ein we nig stolz! Filmleute sind starke Persönlichkeiten, denn wo sonst könnte man so ausgeprägte Individualisten so selbstverständlich in einem Kollektiv arbeiten sehen? Wo sonst eine solche Ver- sammlung kreativer Verrückter bei einer gemeinsamen Riesen- verrücktheit?

Denn die Filmwelt ist eine verrückte Welt. Verrückt in ihrer wilden Entschlossenheit, die Wirklichkeit um jeden Preis zu übertreffen und das erstaunte Publikum unaufhörlich mit neuen, ausge dachten Wirklichkeiten zu verblüffen.

harrlichen Weigerung, bei den enormen, für den Kinofilm so typi- schen Qualitätsansprüchen auch nur den geringsten Abstrich zu machen. Und weil der Film im Kino ein so starkes Erlebnis ist, deshalb

Deshalb ist es ein Jammer, Kinos zu schließen, die man bald wie- der brauchen wird, nämlich dann, wenn die Leute es satt haben, große Filme zu sehen, die im Fernsehen klein sind. Und deshalb müssen die verrückten Filmleute weiter ihr Un-

Sonst ist bald alles im Eimer. Zuerst verschwinden die erfahrenen, gut ausgebildeten verrück-

Ohne sie aber kommen die verrückten Amateur- und Jungfilmer

Dann gibt es bald überhaupt keine Verrückten mehr, so weit das

Und das wäre traurig

Nicht weinen, Rumpelwicht. Geh heim zu deinen Rumpelleuten und schrei mit ihnen einen Frühlingsschrei. Das erleichtert. Tschüs!

Hier wird gerade die Schlußszene für den Film RONJA RÄUBERTOCHTER nach dem berühmten Roman von Astrid Lindgren vorbereitet, der auf der Berlinale '85 mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Tage Danielsson, der Regisseur des Films, hat die mehr als achtzehn Monate dauernden Dreharbeiten in diesem Buch festgehalten: in einem humorvollen Text und ausgesucht schönen Fotos. Für Filmfans und alle, die Astrid Lindgren und ihre Bücher lieben.

VERLAG FRIEDRICH OETINGER. HAMBURG

ISBN 3-7891-2233-5